Dienstag, 24. Dezember 2013

Sonnenwende, eine Weihnachtsgeschichte

Es lebte einmal ein alter Mann allein im Wald. Er verdiente sein Geld als Holzfäller. Nun aber wurde er schwach und schwächer und machte sich Gedanken. Er lebte sein ganzes Leben von der Hand in den Mund. Familie hatte er keine, denn er konnte sich nie eine leisten. Und so vergingen eben die Tage und es wurde Winter. Es fiel Schnee und seine Hütte wurde eingeschneit. Nur den Eingang konnte der alte Mann noch freihalten. Es dunkelte früh und es war mühsam das gelagerte Brennholz in die Hütte zu schaffen. Er hatte einen grossen Vorrat an Kartoffeln. Das war sein Glück, er wäre sonst verhungert, denn für die Jagd nach Essbarem fehlte ihm die Kraft.

Er hatte viel Zeit zum Denken. Und in seiner Phantasie entstand eine Welt ohne Geld. Wie, überlegte er, könnte man für alte Leute ein System aufbauen, das ihnen hilft den Rest ihres Lebens ohne Sorgen und ohne Geld zu verbringen. Plötzlich pochte es an seine Türe. "Wer könnte denn das sein"? Dachte er und rief den Fremden draussen herein. Er hatte keine Angst, denn man konnte ihm nichts nehmen ausser seinem Leben. Und das war nicht mehr viel.

Die Türe wurde knarrend aufgestossen und im Rahmen stand ein wilder Kerl der einem die Angst einjagen könnte. Doch der alte Mann war über diese Ängste hinweg. Er rief den Vollbärtigen herein, dessen Alter schwer zu schätzen war. Langsam schritt der Unbekannte näher heran an die brennende Kerze die ein mildes Dämmerlicht ausstrahlte. "Zieh deinen Mantel aus und setz dich, mein Sohn", sagte der Alte einladend. "Wie heisst du denn"? "Adam", erwiderte der Fremde mit einem Wohlklang und einer Sanftheit in der Stimme, die so gar nicht zu seinem Äusseren passte. "Ich heisse Johann". So sassen sie sich gegenüber.

Der alte Johann reichte dem Fremden Pellkartoffeln und schälte sich selber eine. Dankend nahm der Fremde die einfache Kost an. Schweigend sassen sie so da und kauten geniesserisch die Kartoffeln. "Du bist alt", fing Adam ein Gespräch an. "Du wirst diesen Winter nicht mehr lebend überstehen. Nicht einmal die Sonnenwende und damit Weihnachten wirst du mehr erleben. Was willst du denn machen"? "Still einschlafen". "Hm..., ich wüsste etwas besseres, geh doch in das Dorf und bitte um Hilfe". "Dazu bin ich zu stolz". Wieder schwiegen sie eine Weile. "Weisst du", führte Johann das Gespräch fort", dass ich mir überlegt habe, dass dies alles an dem Geld liegt das ich nie genug verdienen konnte, obwohl ich immer mein Bestes bei der Arbeit gegeben habe". Adam stützte seinen Kopf auf die Hände und fing schweigend an zu erzählen:

"Ich komme aus einem Dorf das tief im Wald liegt und niemand bekannt ist. Da gibt es kein Geld sondern nur das, was die Menschen eben herstellen. Sie geben alles in ein grosses Lagerhaus und jeder nimmt davon was er braucht. Essen, Kleider, ja sogar einfache, robuste Möbel.  Was man eben so braucht. Auch Waffen zur Jagd und zur Verteidigung vor wilden Tieren sind vorhanden. Wenn einer krank wird sind die anderen da. Wenn einer Sorgen hat wird er angehört. Jeder trägt zum Erhalt des Dorfes bei. Jeder nach seinem Talent. Und weisst du was, Johann? Diesen Menschen fehlt es an nichts. Aber in deinem Dorf, das ich auf meinem Weg zu dir durchschritt hat man mich zum Teufel gejagt, weil ich um einen Brotkanten gebeten habe. Ich hätte dafür sogar Holz gehackt. "Hast du Geld"? Wurde ich gefragt. Ich gab keine Antwort und sah mich nur beim Weitergehen das Dorf an. Ungepflegt. Am Zerfallen. Ich begriff, keiner hat Geld um jemand zu bezahlen der ihm hilft".

"Adam, du hast mir viel geholfen"! Kam es lautstark und glücklich aus Johann heraus. "Jetzt weiss ich wie meine Welt ohne Geld aussehen wird. Wie dein Dorf im tiefen Wald".  "Und wie sieht mein Dorf denn aus"? "Wie der Garten Eden"! "Heute noch wirst du mit mir im Garten Eden sein, alter Mann, heute noch", orakelte Adam. Und Johann schlief am Tisch ein. Er kam im Garten Eden an. In seinem Garten Eden. Und der Bärtige begrüsste ihn. Von strahlendem Licht umgeben. Die Sonne stand am Himmel. Alles war Frühlingshaft. Wunderschön!

Weihnachtsgeschichte von Hans Steinle



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